Vollbericht von Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer:
Medienarbeit und Vollzugsdienst - reaktiv oder aktiv?
Am 2.12.2024 fand in der Universität zu Köln die jährliche Veranstaltung des Justizvollzugsbeauftragten NRW, Prof. Dr. Michael Kubink statt. Anwesend waren der Justizminister des Landes Dr. Benjamin Limbach, Gerichtspräsidenten, Leitungspersonen der Staatsanwaltschaft sowie Verantwortliche der Justizvollzugsanstalten. Diskutiert wurde über die Frage, ob die Medienarbeit der JVAs, "gut aufgestellt" ist.
Nach einem Grußwort des Ministers und einer Einführung von Michael Kubink äußerte Dr. Carolin Springub, die in ihrer Dissertation "Strafvollzug und Öffentlichkeit" (https://lnkd.in/gdukaJrd) "Überlegungen zu einem kommunizierenden Strafvollzug" angestellt hatte, Zweifel. Sie empfahl eine proaktive Medienarbeit, provokant den Einsatz "vollzuglicher Influencer", um den Alltag in den JVAs anschaulich und realistisch darzustellen.
Sie erhielt Zuspruch aus der Praxis. Uwe Nelle-Cornelsen (NRW-Justizministerium) und Angela Wotzlaw (JVA Köln) ergänzten, dass es zahlreiche Projekte bereits gebe, auch solche, die in Zusammenarbeit mit den etablierten Medien erfolgten, etwa dem Tatort Münster, der in der JVA Köln gedreht wird.
Der bayerische Tatort "Wunderkind" lieferte einen Anlass für das diesjährige Tagungsthema. Ihm wurde von den Praktikern des Justizvollzuges nahezug einhellig vorgeworfen, den JVA-Alltag einseitig, verzerrt und fehlerhaft darzustellen. Der eingeladene Regisseur und Drehbuchautor Thomas Stiller verteidigte sich persönlich und verwies auf seine künstlerischen Freiheiten, die auch Überspitzungen zuließen. Er bezweifelte, dass der Tatort als Abbild der Realität wahrgenommen werde, obgleich er in einem Interview den selbst gesetzten Anspruch formuliert hatte, dass "diese Welt realistisch, glaubwürdig und in ihrer Härte zu zeigen, ... mir wichtig (war)" (https://lnkd.in/gJPy7Trr).
Ich wies in meinem Vortrag darauf hin, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Programmauftrag habe, der auch in der Unterhaltung ein eigenes Profil zeigen und Stereotype vermeiden solle (§ 26 I 9 MStV). Das erlaubt zwar keine subjektiven Zuschaueransprüche, betont aber die Last, ein selbstformuliertes Verständnis von Realitätsnähe auch einzulösen. Diese Einlassung hörte Stiller leider nicht mehr, weil er nach seinem Statement die Veranstaltung übereilt verlassen hatte. Die Gelegenheit zum Diskurs verstrich. Aktive Medienarbeit hat offenbar Grenzen, wenn sie auf einen solchen Diskurs vertraut.
Besser man macht die Medienarbeit selbst: Das zeigten die Macher:innen des Formates "Podknast", die mit JVA-Insassen kurze Filme über den Alltag in der JVA drehen und auf diese Weise "sagen, was ist" (so die Eingangsforderung von Michael Kubink). Insgesamt ein gelungenes Format, das zeigt, dass die Medienarbeit der Justiz zwar an Finanzierungs- und Leistungsgrenzen stößt, den Auftrag zur aktiven Information aber verstanden hat.
Besonders interessant war der Blick auf die Rechtsprechung in den Nachbarländern. Er offenbarte, dass die Gerichte bei der Abgrenzung von Kunst und Design weitgehend auf sich allein gestellt sind. Die vom EUGH gewünschte Harmonisierung des Werkbegriffs tritt auf der Stelle.
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