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15.12.2015

Bericht zur Vortragsveranstaltung am 24.11.2015

Die kommerziellen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

Der Verein Alumni Medienrecht Köln e.V. und das Institut für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln luden auch in diesem Jahr Freunde und Förderer des Alumni-Vereins, Doktoranden der Rechtswissenschaften, Richter, (Fach-)Anwälte und interessierte Gasthörer zu einer Vortragsveranstaltung ein, die am 24. November im Neuen Senatssaal der Universität zu Köln unter dem Titel „Die kommerziellen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ stattfand.

Im Rahmen der Vortragsveranstaltung stellte Jörg Frederik Ferreau sein durch Prof. Dr. Karl-E. Hain betreutes Dissertationsprojekt vor. Hieran schlossen sich praxisorientierte Kommentare der Referenten Dr. Hermann Eicher, Justitiar des SWR, und Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik der Mediengruppe RTL, an.

Zunächst hieß Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer das Auditorium herzlich willkommen und übergab nach einer kurzen Einführung in die Thematik das Wort an den Hauptredner,
Jörg Frederik Ferreau.

Ferreau stellte die wichtigsten Thesen seiner Dissertation dar, die den Titel „Ökonomisch-rechtlicher Rundfunk und ökonomischer Wettbewerb – Analyse und Perspektiven rechtlicher Spielräume zur Entfaltung kommerzieller Tätigkeiten durch die Rundfunkanstalten“ trägt. Er geht in seiner Arbeit insbesondere auf die wettbewerbliche und die publizistische Dimension kommerzieller Tätigkeiten und ihre Umsetzung in der 12. Änderung des Rundfunkstaatsvertrages ein. Besonders diese Schnittstelle zwischen Medienrecht und wirtschaftlichen Aspekten habe das Thema seiner Arbeit für ihn so interessant gemacht.

Zu Beginn wies der Doktorand auf die Legaldefinition des § 16a Abs. 1 S. 2 Rundfunkstaatsvertrags (RStV) hin. Hiernach sind kommerzielle Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „Betätigungen, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte“. Als Beispiel hierfür hatte er ein Merchandising-Produkt von der „Sendung mit der Maus“ mitgebracht und verwies auf die einst von ARD und ZDF geplante Onlinevideothek „Germany’s Gold“. Die wettbewerbliche Dimension der kommerziellen Tätigkeiten betrifft den Bezug zu privaten Anbietern. Hierunter fallen laut Ferreau Vorgaben des EU-Beihilfenrechts und rundfunkverfassungsrechtliche Gesichtspunkte.

Das Beihilfenrecht komme ins Spiel, da Art. 107 AEUV ein Verbot staatlicher Beihilfen aufstelle, unter die auch der Rundfunkbeitrag fällt. Allerdings sei der öffentlich-rechtliche Rundfunkauftrag nach einhelliger Auffassung „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV. Kommerzielle Tätigkeiten seien hingegen kein Bestandteil dieser Dienstleistungen, sodass eine Wettbewerbsverzerrung auf kommerziellen Märkten verhindert werden müsse. Dies erfolge beispielsweise durch eine Pflicht zur getrennten Buchführung oder zur Auftragsfinanzierung durch kommerzielle Erträge. Weitere wesentliche Vorgaben des EU-Beihilfenrechts ergeben sich aus dem „Beihilfenkompromiss“ zwischen der EU-Kommission und Deutschland aus dem Jahr 2007, in dem die Vorgaben sogar teilweise über das Geforderte hinausgehen. Im Rahmen des Rundfunkverfassungsrechts sei die kommerzielle Betätigung der Anstalten nicht von der Rundfunkfreiheit gedeckt, sodass kein Anspruch auf eine solche Betätigung zur Einnahmeerzielung, außer in Form eines Anspruchs auf funktionsadäquate Finanzierung, bestehe. Bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung habe der Gesetzgeber die wettbewerblichen Auswirkungen auf private Medienunternehmen anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, denn die Privaten seien schließlich auf kommerzielle Tätigkeiten angewiesen.

Anschließend ging Ferreau auf die publizistische Dimension der kommerziellen Betätigungen ein, in deren Rahmen ebenfalls die rundfunkverfassungsrechtlichen Gesichtspunkte von Bedeutung sind. Maßgeblich hierbei sind die Auswirkungen der kommerziellen Betätigungen auf die Erfüllung des Rundfunkauftrags und die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutze seiner Erfüllung.

Ferreau erläuterte, dass kein grundrechtlicher Anspruch der Rundfunkanstalten auf eine kommerzielle Tätigkeit aus publizistischen Gründen bestehe. Es bestehe hier lediglich ein Anspruch auf die Erweiterung des beitragsfinanzierten Auftrages, falls die Auftragsfinanzierung gefährdet sei. Es sei also vielmehr eine politische Frage, ob der Gesetzgeber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommerzielle Tätigkeiten zubillige. Ob hierzu eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei, könne heute aufgrund des Vorhandenseins einer solchen dahinstehen. Die Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage ergeben sich aus dem „ZDF-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 136, 9), wonach der Gesetzgeber zwar Mindestanforderungen selbst regeln müsse, aber eine Konkretisierung der Verhinderung einer dysfunktionalen Beeinträchtigung der Auftragserfüllung den Rundfunkanstalten selbst überlassen werden könne. Da selbst ein Sachzusammenhang kommerzieller Betätigungen zur Auftragserfüllung noch nichts über eine Beeinträchtigung im konkreten Fall aussage, werde einer Beeinträchtigung gesetzgeberisch durch eine Abwägung im Einzelfall entgegengewirkt.  

Kernpunkt des Vortrags sowie der Dissertation Ferreaus ist sodann seine Stellungnahme zur Umsetzung dieser beiden Dimensionen kommerzieller Tätigkeiten im Rundfunkstaatsvertrag. Ferreau wirft insbesondere die Frage auf, ob der Gesetzgeber ihnen hinreichend Rechnung getragen hat. Als nötiges Hintergrundwissen stellte der Doktorand voran, dass vor der Umsetzung im Rundfunkstaatsvertrag ein einheitlicher Auftragsbereich existierte, in den alle Haupt- und Hilfstätigkeiten sowie die Randbetätigungen fielen. Kommerzielle Betätigungen waren nur als Randbetätigung erfasst, wie zum Beispiel der Verkauf alter Fernsehkameras an Dritte.

Seit der Umsetzung im Rundfunkstaatsvertrag stehen Auftragsbereich und kommerzieller Bereich gesetzlich nebeneinander. Demzufolge müssen alle Tätigkeiten einer dieser beiden Kategorien zugeordnet werden, was in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen führe. Am Beispiel des von einer öffentlich-rechtlichen Tochtergesellschaft betriebenen Online-Portals „Drinnen und Draußen“ machte Ferreau die Konvergenz von werblichen und gesponserten Inhalten deutlich, die den verfassungsrechtlichen Rahmen des Informationsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlassen und dadurch in einem Wettbewerbsverhältnis mit den privaten Plattformbetreibern stehen. Es wurden laut Ferreau wesentliche Gesichtspunkte im Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt, allerdings gebe es weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

Im Bereich der wirtschaftlichen Dimension sei unter anderem problematisch, dass eine gesetzliche Pflicht zur Sublizenzierung von Sportrechten fehle und somit auf den „Goodwill“  der Anstalten vertraut werden müsse. Ferner müssen die Tochtergesellschaften seiner Auffassung nach auch ihrerseits Marktbedingungen gegenüber Dritten einhalten und das Vorliegen eines sachlichen Aufgabenzusammenhangs solle restriktiver interpretiert werden.

Im Rahmen der publizistischen Dimension komme die Arbeit zu deutlichen Ergebnissen. Problematisch sei die fehlende gesetzliche Pflicht der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Ermächtigungsgrundlage weiter zu konkretisieren. Zudem moniert Ferreau eine nicht ausreichende Trennung von Auftragsbereich und kommerzieller Betätigung auf struktureller und personeller Ebene. Auch die fehlende Einbeziehung der Rundfunkräte in Entscheidungsprozesse gewährleiste keine ausreichende Berücksichtigung publizistischer Erwägungen. Vor diesem Hintergrund kommt Ferreau zu dem Ergebnis, dass hinreichende Sicherungsmaßnahmen im Rundfunkstaatsvertrag fehlen und deshalb von einer Verfassungswidrigkeit ausgegangen werden müsse.

Anknüpfend an einige Punkte der Dissertation kommentierte der Justitiar des SWR, Dr. Hermann Eicher, die Schlussfolgerungen Ferreaus aus der Sicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zu der wettbewerblichen Dimension führte Dr. Eicher aus, dass der § 16a RStV allein das Ziel habe, die Quersubventionierung von kommerziellen Tätigkeiten durch die Rundfunkbeiträge zu verhindern. Allerdings sei dies weniger ein tatsächliches Problem, da die Vorstellung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk stecke eine beachtliche Geldsumme in seine kommerziellen Tätigkeiten, weit an der Praxis vorbeigehe. Vielmehr gewährleiste der § 16a RStV die Erfüllung europäischer Vorgaben, weshalb sich nach Ansicht Dr. Eichers eine gewisse „Schieflage“ des § 16a RStV feststellen lasse.

Aufgrund dessen wies der Vortragende darauf hin, sich in seinem Kommentar mehr der publizistischen Dimension zu widmen. Zu Ferreaus Forderung der Einbeziehung der Rundfunkräte in Entscheidungsprozesse führte er aus, dass eine solche gesetzliche Regelung in der Praxis nicht unbedingt erforderlich sei. Die Verwaltungsräte werden zum Teil aus den Rundfunkräten gewählt und haben diesen somit zumindest ein Jahr angehört, sodass die Mitglieder ihre Kenntnis effektiv einsetzen können. Dadurch sei eine Berücksichtigung des Auftrages gewährleistet. Dem auf der fehlenden Einbeziehung der Rundfunkräte basierenden Schluss der Verfassungswidrigkeit seitens Ferreau kann Dr. Eicher mithin nicht zustimmen. Ebenfalls sieht er das Selbstverwaltungsrecht als wichtiges Instrument der Rundfunkanstalten an, den dysfunktionalen Einflüssen entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber müsse daher nicht unbedingt eingreifen, da „das Ergebnis stimmt“.

Dr. Eicher ging sodann auf die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein und die damit einhergehende Verwertungsproblematik in Form der Frage, was passiert, wenn die Verweildauer nicht ausgeschöpft wird. Eine Tatortfolge sei zum Beispiel nur sieben Tage, anstatt sechs Monate, in der ARD-Mediathek abrufbar. Dies habe unter anderem programmliche Gründe, da eine sechsmonatige Abrufmöglichkeit die Wiederholungsmöglichkeit in Dritten Programmen reduziere. Der SWR-Justiziar plädierte für eine Verwertung vor dem Verweildauerende, sofern dem Verbraucher ein zusätzlicher Nutzen zukomme. Ein solcher Nutzen sei beispielsweise bei einer „Tatort-App“ zu bejahen, die den Rezipienten mit Zusatzinformationen, wie Interviews mit den Darstellern, versorgt. Dr. Eicher lehnte allerdings die Verkürzung der Verweildauer für eine kommerzielle Betätigung ab. Ferner müssen auch die Verwertungswege unterschieden werden. Der Verkauf einer „Tatort-DVD“ sei zum Beispiel auch neben den Auftragsangelegenheiten noch zulässig, da der Verbraucher in diesem Fall bewusst entscheide, eine haptische Sache zu erwerben.

Anlehnend an die Aussage Ferreaus in seiner Arbeit, dass Auftragsangebote als solche immer identifizierbar sein müssen, ging Dr. Eicher des Weiteren auf die Erkennbarkeit für den Rezipienten ein. Er führte aus, dass es für den Durchschnittsverbraucher grundsätzlich schwierig sei, kommerzielle Tätigkeiten und Auftragsangebote zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Beispielsweise führe die Nutzung der Senderlogos auf kommerzieller Ebene zu einer solchen Intransparenz. Zuletzt verwies der SWR-Justitiar noch auf die Internationalität der Thematik. Das Geschäftsmodell der YouTube-Werbung werde dahingehend umgestellt, dass die Videos hinter Bezahlschranken landen. Diesbezüglich müssen die Anbieter ihr Einverständnis erteilen, sodass auch die Inhalte aus dem Auftragsbereich betroffen wären. Um sich nicht aus Drittplattformen zurückziehen zu müssen, wurde vertraglich vereinbart, diese Inhalte vor- und hinter Bezahlschranken nach außen identisch aussehen zu lassen. So könne auch das „junge Angebot“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufrechterhalten werden.

Es kam sodann Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik der Mediengruppe RTL, zu Wort, der Stellung aus Sicht der privaten Rundfunkanstalten nahm. Dr. Schmid betonte zunächst, dass er der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages grundsätzlich positiv gegenüberstehe, jedoch auch er ein Spannungsfeld bei der Abgrenzung der kommerziellen Tätigkeiten von den Auftragsangelegenheiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sehe. Die Diskussionen um digitale Spartenkanäle, Hörfunkpreise und -programme sowie Online-Medien zeigen die hohe medienpolitische Brisanz und Aktualität der Thematik.

Insbesondere aber bei der Verweildauer seien „die Bedürfnisse noch nicht befriedigt“, was die gesetzliche Regelung angeht. Private Angebote können zur Finanzierung nach sieben Tagen nur noch entgeltlich angeboten werden und der Kunde müsse dies so annehmen. Die Einführung der „7-Tage-Frist“ auf Seiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei für die privaten Anstalten somit besonders wichtig gewesen.

Dr. Schmid betonte zudem, dass er im Rahmen des Rundfunkstaatsvertrages bei dem Werbevolumen und der Kommerzialisierbarkeit von Inhalten im Online-Bereich einen erheblichen Regelungsbedarf sehe. Ungeklärte Problempunkte seien hier insbesondere die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften und die Nutzung der Inhalte durch Dritte, zum Beispiel YouTube.

Sodann ging Dr. Schmid darauf ein, dass zwar ein Anspruch auf funktionsadäquate Finanzierung bestehe, jedoch kein Anspruch auf die Quelle einer solchen Finanzierung. Gerade bei kommerziellen Tätigkeiten im Binnenverhältnis bestehe die Gefahr der Auszehrung der Auftragsinhalte. Bei streckenweiser Übernahme von solchen Inhalten, wie zum Beispiel beim Online-Portal „Drinnen und Draußen“, werde sich die Frage der Verwertbarkeit weiter in den Vordergrund spielen. Angebote wie diese seien vielleicht rechtlich zulässig, können aber nach Dr. Schmids Auffassung eigentlich nicht als zulässig einzuordnen sein.  Es bestehe bei den Tochtergesellschaften ferner die Gefahr, dass sich kommerzielle Tätigkeiten richtungsweisend auf die Inhalte auswirken. Denn so können einzelne Interessengruppen mittelbar auf das Programm einwirken. Es könne jedoch nicht gewollt sein, dass eine kommerzielle Tochter die Programmgestaltung übernimmt. Dr. Schmid kam zu dem Ergebnis, dass kommerzielle Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten grundsätzlich zulässig seien, die möglichen Auswirkungen auf das System selbst aber in hinreichender Weise berücksichtigt werden müssen. Insbesondere müsse die Auszehrung von Auftragsinhalten auf kommerzieller Ebene verhindert werden. Aus diesem Grund bestehe Handlungs- bzw. Nachbesserungsbedarf auf Seiten des Gesetzgebers, die Unklarheiten zu beseitigen und Grenzfälle eindeutig zu formulieren. Bezüglich der von Ferreau aufgestellten These der Verfassungswidrigkeit des § 16a RStV sei er jedoch eher zurückhaltend. Seine Kritik gehe also direkt an den Gesetzgeber und nicht an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst, da jeder die ihm geschaffenen Spielräume so gut es geht nutze.

Die sich an die Vorträge anschließende Diskussion beinhaltete Lob an die Arbeit Ferreaus, Schwachstellen im Rundfunkstaatsvertrag aufzudecken und Diskussionen der Redner untereinander hinsichtlich ihrer jeweiligen Schlussfolgerungen und Ergebnisse. Ein gemütlicher Ausklang des Abends fand sodann im Dozentenzimmer der Universität zu Köln bei kulinarischer Begleitung statt, bei dem den Teilnehmern die Gelegenheit zur fachlichen Diskussion geboten wurde.

Von Judith Burkamp

Studentische Hilfskraft am Institut für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln