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08.10.2014

Bericht zum Praktikerseminar Medienrecht im Sommersemester 2014

Das Institut für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln veranstaltet seit Oktober 2011 jedes Semester eine Vortragsreihe unter dem Titel „Praktikerseminar Medienrecht“, welche sich an Studierende der Rechts- und Medienwissenschaft, Fachanwälte sowie interessierte Gasthörer richtet. Die Seminare werden durch Expertenvorträge zu aktuellen medienrechtlichen Themen gestaltet und bieten die Gelegenheit zur wissenschaftlichen wie praxisorientierten Diskussion.

Im Sommersemester 2014 widmete sich das „Praktikerseminar Medienrecht“ dem komplexen Thema der Medienregulierung in Osteuropa, wobei die Situation in Ungarn schwerpunktmäßig in den Blick genommen wurde. Als Referent war der ungarische Wissenschaftler Dr. habil. Gábor Polyák gewonnen worden, der als Dozent für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Pécs tätig ist. An drei Abendveranstaltungen legte Polyák die in Ungarn und Osteuropa vorherrschenden technischen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen des Mediensektors ausführlich dar. Den Studierenden und Interessierten konnte auf diese Weise erstmals im Rahmen des „Praktikerseminars Medienrecht“ ein derart konfliktgeladener Themenkomplex tiefgreifend und umfassend vermittelt werden.

 Die Teilnehmer erhielten zu Beginn einen ersten Überblick über die Mediensysteme und Medienregulierung in Osteuropa. Nach einer Einführung in das Verständnis, die Vergleichung und geografische Verortung bestehender Mediensysteme beschäftigte sich Polyák in seinem Vortrag mit der Entwicklung der Medienmärkte und -politik der osteuropäischen Staaten seit den neunziger Jahren. Im Ergebnis habe dieser Prozess weder ein einheitliches osteuropäisches Mediensystem hervorgebracht noch zu einer gemeinsamen Übernahme bestehender Systeme aus den europäischen Nachbarländern geführt, stattdessen hätten sich in den Ländern zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche, eigene Antworten auf die medienpolitischen Fragen gefunden. Polyák verdeutlichte dies, indem er Ungarn – dem Schwerpunktland der Vortragsreihe – Tschechien und Rumänien als wichtige Siedlungsorte osteuropäischer Fernsehkanäle gegenüberstellte. Hierbei beleuchtete er eingehend die ökonomischen, rechtlichen und technischen Divergenzen dieser drei Medienmärkte. Unterschiede zeigten sich hierbei insbesondere bei der Medienkonzentrationskontrolle, den Kosten des Marktzutritts und den inhaltlichen Auflagen, aber auch in der Kalkulierbarkeit und Transparenz der Tätigkeit staatlicher Aufsichtsbehörden. Die politische und rechtliche Begegnung der hieraus resultierenden standortpolitischen Konkurrenzsituation zwischen den osteuropäischen Staaten bildete den Abschluss des ersten Vortrags und gleichzeitig den Auftakt für die sich anschließende Diskussion.

 Unter der Überschrift „Brennpunkt Ungarn – das neue Mediengesetz in der Kritik“ konzentrierte sich der zweite Vortragsabend auf die Gesetzesnovelle der ungarischen Medienregulierung im Jahr 2010. Diese wurde nicht nur in Ungarn durch Proteste von Seiten der Bevölkerung sowie journalistischen, medienpolitischen und -rechtlichen Fachkreisen begleitet, sondern löste auch auf internationaler Ebene Kritik aus. Polyák betonte in seinem Vortrag die Auswirkungen der Neuregelungen auf die (Un-)Abhängigkeit der privaten Medien sowie die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Den neugegründeten Medienrat, das zentrale staatliche Aufsichtsgremium für alle Medienanbieter, kennzeichne politische Einseitigkeit und Intransparenz, eine Konzentration der Entscheidungskompetenzen auf die Vorstandsvorsitzende sowie weitreichende Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse. Gleichzeitig sei auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk zentralisiert und mit der staatlichen Nachrichtenagentur verbunden worden, wobei die neue Organisationsstruktur und personelle Besetzung der Gremien stärkeren politischen Einfluss ermöglichten. Infolge dieser Änderungen sei eine wachsende Selbstzensur in den privaten wie öffentlich-rechtlichen Medien bereits durch anonymisierte Umfragen zu belegen. Die Verpflichtung zu einer ausgewogenen Berichterstattung, unklare Regelungen des Marktzutritts und Aufweichungen bei der Beschränkung der Medienkonzentration waren weitere Kritikpunkte Polyáks, die seiner Meinung nach eine massive Schwächung der medialen Vielfaltsicherung bewirkten.

 Seinen Abschluss fand das „Praktikerseminar Medienrecht“ Ende April in einem Vortrag zur Bedeutung, rechtlichen Behandlung und Einordnung der Sozialen Medien in Osteuropa und Ungarn. Polyák stellte fest, dass das neue Mediengesetz den Geltungsbereich der Medienregulierung in Ungarn erweitert hätte, die Online-Dienste seien daher spezifischen medienrechtlichen Erwartungen ausgesetzt, gleichzeitig fänden nun die bisher im analogen Bereich greifenden Schutzmechanismen für Journalisten auch hier Anwendung. Insgesamt sehe sich Ungarn ebenso wie seine Nachbarländer mit einer immer stärkeren Nutzung von Online-Angeboten als Informationsquelle sowie einem wachsenden Einfluss von globalen Marktakteuren wie Google und Facebook konfrontiert, deren rechtliche und politische Begegnung auch mit dem neuen Mediengesetz noch nicht abschließend geklärt sei.

Besonderes Augenmerk lag während der gesamten Vortragsreihe auf dem Vergleich staatlicher Medienregulierung in Ungarn und Deutschland, welcher auch immer wieder Stoff für die sich anschließenden Diskussionen bot. Ausgangspunkt bildete dabei unter anderem das erst wenige Wochen zuvor verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag, in dem die Besetzung der Aufsichtsgremien des ZDF durch staatliche und staatsnahe Personen beschränkt worden war. Anhand dieses Verfahrens, das Professor Dr. Karl-E. Hain, Direktor des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln, als Prozessbevollmächtigter des Antragsstellers begleitet hatte, konnten die rechtlichen aber auch politischen Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland noch einmal verdeutlicht und der Situation in Ungarn gegenübergestellt werden.

Als Resultat der Veranstaltungsreihe lässt sich festhalten, dass die Medienregulierung und mit ihr die Medienlandschaft in den osteuropäischen Staaten deutlich divergiert, wobei Ungarn nach seinen jüngsten Gesetzesreformen vor allem durch strengere inhaltliche Auflagen und Kontrollen sowie eine starke Zentralisierung der staatlichen Aufsicht wie auch der öffentlich-rechtlichen Medien zu charakterisieren ist.

Von Gesa Kaselow

Studentische Hilfskraft am Institut für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln