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30.06.2015

Bericht zur Tagung des Instituts für Rundfunkrecht am 23. Mai 2016 in Köln

Schnittstellen zwischen Medienrecht und Wirtschaftsrecht – Tagung 2016 des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln am Montag, den 23. Mai 2016

An Problembewusstsein hinsichtlich des Verhältnisses von Medien- und Wirtschaftsrecht hat es schon seit geraumer Zeit nicht mehr gemangelt. Zahlreiche Verwaltungs- und Gerichtsverfahren der jüngeren Vergangenheit haben der rechtlichen Bewertung dieses Verhältnisses in Wissenschaft und Praxis jedoch eine neue Dynamik gegeben, die Fragen eines paradigmatischen Wandels der Denkansätze in einer dynamischen Medienwelt aufwirft.


Bereits in seiner Einführung machte der Direktor des Instituts für Rundfunkrecht, Professor Dr. Karl-E. Hain, deutlich, dass die traditionell verfochtene Behandlung von Medien- und Wirtschaftsrecht als voneinander weitgehend unabhängiger Disziplinen und die einhergehende Abschirmung des Rundfunks als Kulturgut und Mittel der Daseinsvorsorge überholt seien. Zurecht habe sich heute die Würdigung der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgüter durchgesetzt, wobei jedoch unverkennbar bleibe, dass – vor allem in einer digitalen und konvergenten Medienwelt – das ökonomische Paradigma auf dem Vormarsch sei, während die demokratisch-funktionale, publizistische Perspektive unter kontinuierlich steigenden Legitimationsdruck gerate. Beispiele aus der jüngeren Verwaltungs- und Gerichtspraxis – wie die Verfahren zur Tagesschau-App, zu Germany’s Gold oder den Kabeleinspeiseentgelten – dokumentierten den Zugriff des Wirtschaftsrechts auf mediale Phänomene, lieferten hingegen weder sorgsam abgewogene Antworten auf die grundlegende Frage der Wahl des anzuwendenden Paradigmas zur juristischen Erfassung und Bewältigung der Schnittstellenproblematik im Mediensektor, noch auf die Frage der Chancen und Grenzen eines wohl notwendigen Zusammenwirkens von Medien- und Wirtschaftsrecht. Die zu er-wartenden Ergebnisse der zur Eruierung dieser Fragen eingesetzten AG Kartell-recht/Vielfaltssicherung der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz wür-den diese Antworten zwar schuldig bleiben, stellten jedoch zumindest eine gesetzli-che Vorstrukturierung der Behördenzusammenarbeit in Aussicht.

Der Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, Professor Dr. Ralf Müller-Terpitz, widmete sich dieser Schnittstellenproblematik aus medienrechtlicher Perspektive mit einem besonderen Schwerpunkt auf Fragen publizistischer Vielfaltssicherung mit den Mitteln des Medien- und des Wettbewerbsrechts. Im Rahmen der Darstellung des allgemeinen Verhältnisses von Medien- und Wettbewerbsrecht machte er auf die fortbestehende Dichotomie der beiden Teilrechtsordnungen aufmerksam, die in der Grenzziehung letztlich zu einem konfusen Bild führten. Es bestünden Zieldivergenzen und wesentliche Unterschiede zwischen den Strukturmerkmalen in Fragen des internen Unternehmenswachstums, der Marktabgrenzung, der Determinierung von Markt- bzw. Meinungsmacht und des Rechtsfolgenregimes. Angesichts dieses Befundes vertrat Müller-Terpitz die in der Diskussion nicht unumstrittene These, dass das Wettbewerbsrecht alleine zur Gewährleistung publizistischer Vielfalt und kommunikativer Chancengleichheit nicht ausreiche. Das landesrechtliche Medienkonzentrationsrecht behalte trotz der Vorwürfe mangelnder Effektivität und der Schaffung überflüssiger Doppelstrukturen mit dem inhärenten Risiko divergierender Entscheidungen seine Daseinsberechtigung, um die besonderen Strukturmerkmale publizistischer Vielfaltssicherung entsprechend des verfas-sungsrechtlichen Gebots Berücksichtigung finden zu lassen. Gleichwohl bestünden hingegen de lege lata die größeren Regelungsdefizite im Bereich der Vielfaltssicherung im Medienrecht. Um dessen Leerlauf in einer digitalen Welt zu vermeiden, vertrat Müller-Terpitz daher die These, dass das Medienkonzentrationsrecht der Konvergenzentwicklung anzupassen und zu einem (positiven) Vielfaltssicherungsrecht fortzuentwickeln sei. Das veränderte Nutzerverhalten verlange zum Zweck des vereinfachten Eintritts in eine crossmediale Konzentrationskontrolle den Wandel hin zu einem fernsehbasierten oder gar einem „Gesamtmeinungsmarktmodell“ unter Festsetzung neuer Modi und Grenzwerte zur Bestimmung der Beeinträchtigung von Meinungsvielfalt. Parallel müsse es zu einer Stärkung der positiven Vielfaltssicherung unter Änderung des Rechtsfolgenrepertoires kommen: So könnten im Einzelfall – unter Beibehaltung absoluter Grenzwerte – Fusionen eher zugelassen werden, während man den Akteuren (Selbst-)Verpflichtungen wie die Verbreitung von public value-Angeboten oder Zahlungen an Fonds zur Finanzierung von Strukturkosten auferlege. Der Ausgang der Beratung der AG Medienkonzentrationsrecht auf Länderebene sei insofern jedoch noch offen. Hinsichtlich des Kernberatungspunktes der AG Kar-tellrecht/Vielfaltssicherung – einer publizistischen Vielfaltssicherung durch Wettbe-werbsrecht – zeigte sich Müller-Terpitz hingegen eher skeptisch. Die Anreicherung des GWB um Facetten der Vielfaltssicherung begegne sowohl rechtlichen als auch rechtspolitischen Bedenken. Könne man eine Gesetzgebungskompentenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs und angesichts des Prinzips der Bundestreue unter dem caveat einer Rückkopplung des Tätigwerdens des Bundeskartellamts an Entscheidungen der unabhängigen Medienaufsicht noch annehmen, mache der (Anwendungs-)Vorrang des EU-Wettbewerbsrechts, das eine Berücksichtigung außerwettbewerblicher Kriterien nicht zulasse, eine Reform nur für den nationalen Raum sinnlos. In rechtspolitischer Hinsicht sei eine solche Anreicherung nicht wünschenswert, weil sie aus der Perspektive des Wettbewerbsrechts einen Paradigmenwechsel unter Anerkennung der Einschränkung von Wettbewerb und einen Rückzug der Länder aus einer genuinen Landeszuständigkeit bedeute. Vorzugswürdig sei daher eine Reform des Landesrechts. Sollten sich Probleme wettbewerbsrechtlicher Natur offenbaren, sei an eine Lösung über eine Betrauung mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) entsprechend Art. 106 Abs. 2 AEUV zu denken, die unter Beibehaltung einer klaren Trennung von Medien- und Wettbewerbsrecht unionsrechtskompatibel wäre und zu Rationalität und Transparenz in der Argumentation zugunsten (außerökonomischer) Vielfaltsgewinne führen würde. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Pressegrosso-Entscheidung eine Offenheit bezüglich des Arguments publizistischer Vielfaltssicherung unter Anerkennung eines weiten staatlichen Ermessensspielraums gezeigt.

Professor Dr. Rupprecht Podszun, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth, unternahm einen Perspektivwechsel und bewertete den status quo vor dem Hintergrund des Wirtschaftsrechts. Im Zentrum der Darstellungen stand jedoch auch hier die Frage, wie das Verhältnis von allgemeinem Wirtschaftsrecht und spezifischer Medienregulierung zukünftig fortentwickelt werden sollte, wobei Podszun diesbezüglich die Berücksichtigung dreier Anliegen besonders anmahnte. Ad 1 müsste das Wettbewerbsrecht als Chance zur Stärkung der Durchsetzung auch des Medienrechts erachtet werden. Das Wettbewerbsrecht sei eine „Durchsetzungsmaschine“, die gerade auch bei praktischen Rechtsschutzdefiziten anderer Rechtsgebiete als eine Art Reparaturbetrieb effektiv arbeite. Ein aktuelles Beispiel offenbare sich im kürzlich eröffneten Verfahren des Bundeskartellamtes gegen Facebook, wegen eines potentiellen Ausbeutungsmissbrauchs auf dem Markt der sozialen Netzwerke aufgrund rechtswidriger AGB-Bestimmungen zum Gebrauch der Nutzerdaten. Hier werde es gegebenenfalls zur Durchsetzung von Datenschutzrecht durch das Bundeskartellamt mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts kommen. Vergleichbare Durchsetzungsprobleme hätten sich jedoch auch im RStV gezeigt, so u.a. bei Tätigkeiten der kommerziellen Tochtergesellschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die gemäß § 16a RStV geforderte Marktkonformität ihrer Tätigkeit werde – wie die Beschwerden der Allianz unabhängiger Filmdienstleister greifbar machten – durch ein ineffizientes Kontrollsystem, das gerade keinen ausreichenden Fokus auf wettbewerbliche Aspekte lege, nicht gewährleistet. Das rechtsaufsichtlich bedingte „Kontrollvakuum“ werde an dieser Stelle jedoch über die potentiellen Durchsetzungsalternativen im UWG gefüllt. Die Parallelität von einem starken, effizienten behördlichen Instrumentarium und privater Rechtsdurchsetzung ergänze die Durchsetzungsstärke des Wettbewerbsrechts dabei nur noch. Dass es insofern zu einer „Pluralität der Durchsetzung“ käme, sei weniger kritisch zu bewerten als willkommen zu heißen. Mit Friedrich v. Hayek sei – gerade in Anbetracht sich wandelnder Märkte – „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ zu erachten: besagte Pluralität führe zu einer Diversität von Lösungsansätzen, von denen sich letztlich die beste Lösung durchsetzen werde. Ad 2 appellierte Podszun, dass die Digitalisierung als Impuls zur Deregulierung genutzt werden sollte. Es handele sich um einen ökonomischen „game changer“, auf den rechtspolitisch unterschiedlich reagiert werden könne. Dabei müsste jedoch berücksichtigt werden, dass es je nach eingeschlagenem Weg zu einem trade-off zwischen Sicherheit und Innovation, Gleichbehandlung und Diversität kommen könne. Das Kartellrecht habe kürzlich eine Renaissance sektorspezifischer Regulierung erlebt; gleichzeitig übten sich die Behörden über das Werkzeug der Verpflichtungszusage zunehmend in einer nicht ihrem Aufgabenbereich unterfallenden Steuerung der Märkte. In Anbetracht des steigenden praktischen Einflusses der unionalen Grundrechtecharta auch für Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts sollte hier eher die sich bietende Chance zur Deregulierung genutzt werden. Wolle man somit dem Wettbewerbsrecht insgesamt eine größere Bedeutung beimessen, müsste es ad 3 jedoch parallel zu einer Weiterentwicklung der wirtschaftsrechtlichen Werkzeuge unter Anpassung an die digitale Ökonomie kommen. Illustrativ nahm Podszun hier die wettbewerbsrechtliche Marktabgrenzung in den Fokus. Die aktuelle Praxis des Bedarfsmarktkonzepts habe Schwierigkeiten, technologische und dynamische Prozesse zu erfassen. Mehrseitige Plattformmärkte mit Netzwerkeffekten, disruptive Innovationen, individuelle Preisdifferenzierungen und kostenfreie Leistungen führten zu einem Versagen dieses Werkzeugs in der digitalen Ökonomie und angesichts der Konvergenz der Medien. Hier und darüber hinaus müsse es daher zu einer stärkeren Ausrichtung auf Förderung von Innovation und Effizienz, einem „more technological approach“ kommen.

Prof. Dr. Johannes Münster, Institut für Rundfunkökonomie der Universität zu Köln, lieferte diesem perspektivischen Schlagabtausch im Folgenden die ökonomischen Hintergründe der Schnittstellenproblematik. Übergeordnete Frage seiner Darstellun-gen war, welcher Zusammenhang zwischen ökonomischer Konkurrenz auf Medienmärkten und Vielfalt und Tendenzfreiheit der Medieninhalte sowie der Meinungsmacht von Medieneigentümern besteht. Hinsichtlich der Auswirkungen ökonomischer Konkurrenz auf die Vielfalt der Medieninhalte sei weder in der Theorie noch in der Empirie ein eindeutiger Zusammenhang nachweisbar. In der Theorie ergibt sich, dass die Ergebnisse stark situativ bedingt und vom Nutzerverhalten abhängig sind. In der Empirie hat sich, beispielsweise im Zuge der Konsolidierungsprozesse auf den US-Radiomärkten nach dem 1996 Telecommunications Act, gezeigt, dass eine größere Vielfalt auf den Radiomärkten bestand. Studien zu Zeitungsmärkten kamen hingegen zum gegenteiligen Ergebnis, dass Wettbewerb zu einer höheren Diversität der Inhalt führt. Münster führte dies auf den Unterschied in der Finanzierung zurück. Auf Pay-Medienmärkten gebe es den Effekt, dass zwei Wettbewerber mit einem wesentlich vergleichbaren Produkt im Preiswettbewerb miteinander zur stärkeren Diversifi-zierung neigen, um eben diesen Wettbewerb zu entschärfen. Dies zeige auch, dass die Sorge vor einem „more of the same“ stark von der Finanzierung abhänge. Hin-sichtlich der Auswirkungen ökonomischer Konkurrenz auf die Tendenzfreiheit unterschied Münster vorweg zwischen den verschiedenen Formen fehlender Tendenzfreiheit, dem sog. „media bias“: Nachfrageseitigem Bias – der fehlenden Tendenzfreiheit wegen Präferenzen der Rezipienten, dem angebotsseitigen Bias – wegen der wirtschaftlichen Eigeninteressen der Unternehmenseigentümer und des Einflusses der Politik, und dem „advertiser bias“ – wegen des Einflusses der Werbekunden, die ein anderes Bedürfnis nach Medieninhalten haben. Insgesamt ergab sich für alle diese Formen des Bias jedoch, dass Wettbewerb auf den Medienmärkten die Tendenzfreiheit erhöht und insofern eine Zielharmonie zwischen wettbewerbs- und medienpolitischen Zielen besteht. Gleichwohl machte Münster jedoch deutlich, dass seiner Meinung nach Konkurrenz kein Substitut für Werberegulierung sei, es vielmehr zu einer Komplementarität von Konkurrenz und Regulierung kommen müsse. Hinsichtlich der Frage der Auswirkungen auf die Meinungsmacht stellte sich die Vorfrage, ob Medien überhaupt kausalen Einfluss auf gesellschaftliche Ereignisse haben. Obwohl die Medienwirkungsforschung hier vor der besonderen Herausforderung der Endogenität des Medienkonsums steht, ist über diverse Lösungsansätze der Medienökonomie erwiesen, dass Medien in Politik, Wirtschaft und Privatleben einen Einfluss haben. So wurde von DellaVigna & Kaplan 2007 in der Studie „The Fox News Effect“ nachgewiesen, dass der TV-Sender für eine erkennbare Wählerwanderung von Democrats zu Republicans verantwortlich zeichnete. Münster machte deutlich, dass sich im Folgenden jedoch auch die Messung von Meinungsmacht von Medieneigentümern nicht einfacher gestaltet. Ein vielversprechendes Modell sei jedoch von Andrea Prat entwickelt worden. Dieses setzt bei einer Medienkonsummatrix des Individuums an und beobachtet dessen Konsumverhalten auf verschiedenen Medienmärkten. Grundidee des Ansatzes ist, dass der Einfluss den ein Medium auf das Individuum hat, davon abhängt, welche anderen Medien es konsumiert. Ein Medienunternehmen, das eine Gruppe von Konsumenten exklusiv erreicht, wird mehr Meinungsmacht haben als ein Medienunternehmen, das von Menschen konsumiert wird, die aus mehreren Outlets Informationen ziehen. Hierauf basierend wird der Aufmerksamkeitsanteil der Individuen an einzelnen Medien ermittelt, wobei die Analyse durch Berücksichtigung weiterer Faktoren wie der Dauer der Beschäftigung mit dem Medium oder eine Gewichtung nach Mediengattung verfeinert werden kann. Dieses Modell hat Prat angewandt auf das „worst case scenario“ einer beabsichtigten Intervention eines Medieneigentümers im Wahlkampf der USA während sich alle anderen Unternehmen neutral verhalten. Ein bemerkenswertes Ergebnis dieser Analyse war, dass im Jahr 2015 ein Medieneigentümer – News Corporation – eine Wahl in diesem Modell bis zu einem Anteil von 23% hätte beeinflussen können. Münster machte deutlich, dass die Be-trachtung des Konsumverhaltens hier signifikant andere Ergebnisse zeige als andere Standardmessmethoden.

Von besonderem Interesse für das Thema der Veranstaltung waren sodann die folgenden Praxisberichte, die die Schwierigkeiten verschiedener Akteure des Medien-sektors im Umgang mit der Schnittstellenproblematik verdeutlichten. 

Dr. Richard Burnley, Head of Regulatory Affairs der European Broadcasting Union (EBU), widmete sich in seinem Praxisbericht der Wechselwirkung zwischen dem Beihilferecht der Europäischen Union und dem nationalen Medienrecht der Mitgliedstaaten. Burnley schilderte, dass die bekannte Konfliktlage im Falle von DAWI gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV zwischen der Kontrollbefugnis der Wettbewerbsbehörden und dem Spielraum der Mitgliedstaaten in der Definition und der Bewertung derer Erforderlichkeit in Anbetracht konvergierender Medienmärkte und der Globalisierung der Struktur von Medienunternehmen weiter in Richtung einer weiten Ausnahme von den Beihilfevorschriften weise. Eine überstrenge Anwendung des Wettbewerbsrechts könne umgekehrt zu absurden Ergebnissen sowohl für den Markt als auch das öffentliche Interesse führen, wie u.a. die Urteile des Gerichts zur spanischen Finanzierung der Umstellung auf das digitale terrestrische Fernsehen gezeigt hätten.

Aus der Praxis der AG Kartellrecht/Vielfaltssicherung der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz berichtete Dr. Wolfgang Kreißig, Leiter des Referats Rund-funkpolitik im Staatsministerium Baden-Württemberg. Unter Bezugnahme auf den Zwischenbericht der Kommission vom Dezember 2015 schilderte Kreißig die in der AG diskutierten materiellen Lösungsansätze sowie die Gründe für deren Ablehnung. Bloße Modifikationen des GWB verlören ihre Wirkkraft in Anbetracht des Vorrangs der unionsrechtlichen Vorschriften; die verpflichtende Berücksichtigung von Vielfaltsaspekten  stünde vor dem Problem, dass weder die Definition von Vielfalt noch die Form ihrer Berücksichtigung durch das Bundeskartellamt und die Gerichte zweifelsfrei bestimmbar seien. Einigkeit habe daher nur bei dem Ziel einer Optimierung der verfahrensrechtlichen Zusammenarbeit zwischen Bundeskartellamt und KEK bestanden. Wie diese Optimierung konkret aussehen soll, werde im Abschlussbericht der Kommission im Juni 2016 dargestellt und aller Voraussicht nach im Rahmen der avisierten 9. GWB-Novelle umgesetzt.

Aus der Perspektive einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt berichtete Annette Baumbach-Goetze, stellvertretende juristische Direktorin des Mitteldeutschen Rund-funks (MDR), über die Zusammenarbeit der Anstalten im Kollisionsbereich zwischen rundfunkrechtlicher Auftragserfüllung und wettbewerbsrechtlichen Restriktionen vor dem besonderen Hintergrund der Entscheidungen des BGH in den Verfahren über die Kabeleinspeiseentgelte. Sie illustrierte die facettenreiche Kooperation der Anstalten im gesetzlichen Auftragsbereich und wies darauf hin, dass die Anstalten auch durch den aktuellen 20. KEF-Bericht aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu immer engerer Kooperation angehalten werden, so bspw. hinsichtlich gemeinsamer IT-Strukturen. Unter Berücksichtigung der Entscheidungen des BGH von Juni 2015 und März 2016 begegne dieses Handeln, obwohl es der Logik freien wirtschaftlichen Handelns aus Verfassungsgründen entzogen sei, jedoch vermehrt kartellrechtlichen Bedenken. Baumbach-Götze hielt fest, dass die unionsrechtliche Prüfung aus Sicht der Anstalten ergebe, dass sie entsprechend den Vorgaben des Amsterdamer Protokolls eine besondere Aufgabe erfüllten, die als beauftragte DAWI i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV schon jetzt zu einer Ausnahme vom Wettbewerbsrecht führe. In Anbetracht der durch die Rechtsprechung geschaffenen Rechtsunsicherheit müsse dies durch eine Präzisierung der gesetzlichen Beauftragung im Zweifel nochmals klargestellt werden.

Abschließend berichtete Prof. Dr. K. Peter Mailänder, Gründer und Seniorpartner der Kanzlei Haver & Mailänder, aus seiner beratenden Tätigkeit für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dabei legte Mailänder besonderen Wert auf die Feststellung, dass die kartellrechtlichen Normen für die Anstalten aufgrund der ihnen zugewiesenen staatlichen Grundversorgungsaufgabe nicht im gleichen Maße gelten könnten wie für andere Wirtschaftsunternehmen, ohne die Erfüllung eben dieser Aufgabe zu beschränken. In der Praxis ergäben sich daher, v.a. im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zahlreiche argumentative Grenzen für das Kartellrecht, dessen Durchsetzungsmaschine insofern an die Kandare genommen werden müsse. Mailänder vertrat im Einzelnen, dass die Erbringung einer hoheitlich angeordneten Tätigkeit wie die der Rundfunkanstalten im auftragsbezogenen Bereich kein im Wettbewerbsrecht erforderliches Handeln eines „Unternehmens“ darstelle. Die Annahme des BGH einer auch wirtschaftlichen Tätigkeit wegen der in verschiedenen Facetten auftretenden werbenden Tätigkeit der Anstalten überzeuge nicht. Ebenso widersprüchlich sei die Position des BGH zur marktbeherrschenden Stellung der Anstalten als Resultat der must carry-Regelungen des RStV, wegen derer es eigentlich an einem Markt fehle. Darüber hinaus machte Mailänder deutlich, dass sich aus besagten gesetzlichen Vorschriften auch ergäbe, dass den Anstalten keine dem Kartellverbot zugrundeliegende wirtschaftliche Handlungsfreiheit belassen ist. Eine klare Trennlinie müsse jedoch zwischen den hoheitlichen und den kommerziellen Tätigkeiten gezogen werden. Dieser Scheideweg zwischen Rundfunkrecht und Kartellrecht sei ein Ergebnis des Beihilfekompromisses und habe einen Ausdruck in § 16a RStV gefunden. Dass kommerzielle Tätigkeiten insofern dem Kartellrecht unterlägen, ergäbe sich aus der Norm selbst, die deren Erbringung nur unter Marktbedingungen erlaube. Die durch die Rechtsprechung des BGH erzeugte Rechtsunsicherheit im Bereich der Auftragstätigkeit könnte über eine klarstellende Betrauung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinzelt behoben werden, sie ermögliche hingegen nicht, das gesamte Medienrecht einem Auftrag unterzuordnen.

Vor diesem Hintergrund bot sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der abschließenden Podiumsdiskussion eine Fülle an Themen. Ein angeregtes Gespräch ergab sich zwischen Andreas Mundt (Präsident des Bundeskartellamtes), Dr. Marc Jan Eumann (Staatssekretär beim Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen), Tabea Rößner, MdB (Sprecherin für Me-dien, Kreativwirtschaft und digitale Infrastruktur der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Dr. Kreißig, Frau Baumbach-Goetze und Professor Mailänder. Das Podium zeigte sich uneinig hinsichtlich der Bewertung der Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission. Mundt stellte fest, dass die Arbeit der Kommission zwar einen wertvollen Beitrag zur Identifizierbarkeit von Defiziten geleistet habe, dabei jedoch erkennbar geworden sei, dass nur wenige vermeintliche Problembereiche tatsächlich einer Korrektur bedürften. Insbesondere hinsichtlich der avisierten Formalisierung der Zusammenarbeit des Bundeskartellamtes mit der Medienaufsicht wäre eine gesetzliche Verankerung zwar nicht schädlich, letztlich aber nicht mehr als eine Reflektion der bereits gelebten Praxis. Darüber hinausgehende materielle Spannungen im Verhältnis zum Kartellrecht seien hingegen ein Problem, mit dem jedes Unternehmen umgehen müsse und die sich unter Hilfestellung des Bundeskartellamtes lösen ließen. Mailänder bestätigte diesen Eindruck – das Problem liege eher darin, dass der BGH noch nicht den Erkenntnisstand der Kartellbehörden erreicht habe. Eumann wies in diesem Kontext auf die kürzlich im WDR-Gesetz verankerten Möglichkeiten zu Kooperationen des WDR mit anderen Anstalten und Privaten hin. In Abkehr von der Schnittstellenproblematik wurde offen die Frage diskutiert, ob nicht eigentlich an-dere faktische Herausforderungen einen höheren Handlungsbedarf erzeugten. Rößner machte deutlich, dass die wirklichen Probleme im Bereich des Konsum- und Rezeptionsverhalten und den damit einhergehenden Fragen der Zugänglichkeit und Auffindbarkeit von Angeboten lägen, hinsichtlich derer aber bisher noch Hemmschwellen einer Regulierung bestünden. Eumann entgegnete dem, dass eine insofern erforderliche Plattformregulierung unter Berücksichtigung von Prinzipien der Transparenz und der Diskriminierungsfreiheit aktuell auf der Höhe der Zeit diskutiert werde. Mundt mahnte hingegen zur Vorsicht – die Tätigkeit von Plattformen oder Intermediären sei in ihrer Komplexität einer Regulierung kaum sinnvoll zugänglich und bedürfe anderer Maßnahmen.

Tobias Brings-Wiesen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln.