Online-Veröffentlichungen
Nachfolgend stellen wir Ihnen Aufsätze der Institutsangehörigen online zur Verfügung. Die Online-Publikationen rekurrieren auf die Forschungsarbeiten der Autoren, die verschiedene Fragestellungen des Medienrechts wissenschaftlich erörtern.
„Die Schulz-Story“ und die Vertraulichkeit des Wortes
von Nima Mafi-Gudarzi
Am Montag ist das Buch des Spiegel-Autors Markus Feldenkirchen mit dem Titel „Die Schulz Story, Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“ erschienen. Die Reportage zeichnet ein sehr persönliches Bild des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten und –Vorsitzenden Martin Schulz. Sie basiert auf vielen Gesprächen, die der Autor mit dem von ihm begleiteten Portraitierten geführt hat. Einige Medien haben nun das Buch hinsichtlich spektakulärerPassagen durchleuchtet. Dabei wurden u.a. bemerkenswerte Zitate aus einer SMS des Ex-Bundesaußenministers Sigmar Gabriel an Martin Schulz („Es bleibt dabei, du willst mich für deine Zukunft opfern“) und aus einem Gespräch mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles über ersteren („Entweder du killst ihn, oder er killt dich.“) gefunden (siehe bspw. https://www.merkur.de/politik/spd-andrea-nahles-warnte-martin-schulz-vor-sigmar-gabriel-zr-9724349.html).
Politische Ränke werden immer wieder offengelegt. Ungewöhnlich und deshalb Aufsehen erregend sind solche Offenbarungen, wenn die Medien sich nicht auf anonyme Quellen (bspw. „gut unterrichtete Kreise“ oder „Parteizirkel“) berufen müssen, sondern ein ehemaliger Spitzenpolitiker diese selbst zur Verfügung stellt. Die Identifizierbarkeit verleiht den wörtlichen Zitaten Authentizität. Die Besonderheit der Offenbarung liegt also im Vertrauensbruch. Auf Grund des Bruchs zumindest mit sozialen Normen der Verschwiegenheit stellt sich die Frage: Durften Andrea Nahles und Sigmar Gabriel darauf vertrauen, dass Martin Schulz ihre Worte nicht Dritten zum Zwecke der Veröffentlichung preisgibt? Oder: Durften Martin Schulz bzw. Markus Feldenkirchen und der Spiegel-Verlag die fraglichen Zitate verbreiten? Juristisch ist diese Frage unter Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungs- sowie Pressefreiheit zu beantworten.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die Wiedergabe der recht brisanten Zitate berührt das Recht am gesprochenen Wort. § 201 StGB stellt die unbefugte Tonbandaufzeichnung, das Abhören sowie die Zugänglichmachung und öffentliche Mitteilung des vertraulich geäußerten Wortes unter Strafe. Um solch gravierende Eingriffe in das Recht am gesprochenen Wort geht es vorliegend jedoch nicht, weil Schulz offenbar nur wiedergibt, was er selbst erinnert, nicht aber Aufgezeichnetes verbreitet. Doch ist gleichwohl davon auszugehen, dass die Meinungskundgaben gegenüber Martin Schulz nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren und insofern keine Einwilligung der Äußernden vorlag. Daher sind Andrea Nahles und Sigmar Gabriel in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. grundsätzlich beeinträchtigt. Die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung in der Kommunikation mit anderen ist grundrechtlich geschützt und bezieht sich neben gesprochenen und geschriebenen Worten auch auf alle weiteren Kommunikationswege. Es bleibt dem Betroffenen überlassen, ob und inwieweit seine Äußerung einem eingeschränkten Personenkreis oder der Öffentlichkeit übermittelt werden darf (siehe BVerfG, AfP 1980, 149 – Böll; OLG Köln, NJOZ 2016, 245, Rz. 15 – Kachelmann). Sofern Andrea Nahles auf Grund des Gesprächsrahmens davon ausgehen durfte, dass ihre mündlich ausgesprochene Warnung an Martin Schulz nicht von Dritten wahrgenommen werde, muss sie grundsätzlich auch nicht damit rechnen, dass die Presse vertraulich Gesprochenes auflagenstark verbreiten werde (vgl. BVerfG, NJW 2002, 3619, 3621 – Mithörvorrichtung). Gleiches gilt für den „simsenden“ Sigmar Gabriel. Zwar können Kommunikationsmittel wie E-Mail und SMS keine Verlässlichkeit einer vertraulichen Übermittlung ihres Inhaltes garantieren, gleichwohl unterliegen auch diese grundsätzlich einer Vertraulichkeitserwartung des Absenders, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Wortlaut der SMS publik gemacht werden könnte (siehe OLG Köln, NJOZ 2016, 245, Rz. 18 ff.).
Schutzbedürftigkeit von Politikern
Dass es sich hier um prominente Politiker handelt, ist für die Frage ihrer Schutzbedürftigkeit zunächst unerheblich: Denn auch ein Politiker muss „vor Kontrolle und Zensur durch die Öffentlichkeit sicher sein; sonst wäre die Basis gefährdet, auf der sich seine Persönlichkeit verwirklichen und entfalten kann. Alle Vorgänge und Lebensäußerungen dieser persönlichen Eigensphäre nehmen grundsätzlich am Schutz durch das Recht der Persönlichkeit auf solche Selbstbestimmung teil“ (BGH, NJW 1979, 647 f.). Dies hatte der BGH im Fall eines ungenehmigt aufgezeichneten, transkribierten und an die Presse übermittelten Telefonats zwischen dem damaligen CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und dem damaligen CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf festgestellt.
Der Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit
Damit allein steht aber noch keine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der hier betroffenen Politiker fest. Vielmehr ist eine Abwägung mit dem Recht von Autor und Verlag auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK vorzunehmen, da keinem der widerstreitenden Grundrechte prinzipiell der Vorrang gebührt (vgl. BVerfGE 35, 202 = NJW 1973, 26 – Lebach). Hier gilt es zwei Ebenen zu unterscheiden: Martin Schulz selbst mag nicht befugt gewesen sein, die Stellungnahmen von Andrea Nahles und Sigmar Gabriel zum Machtkampf in der SPD an Dritte zu übermitteln. Der Presse kann es gleichwohl nicht schlechthin verwehrt sein, vom Abdruck von Gesprächsinhalten abzusehen, weil ein Gesprächspartner der Weitergabe nicht zugestimmt hat bzw. die Informationen illegal gewonnen worden sind. Andernfalls wäre ihr in besonderem Maße die Erfüllung der Aufgabe erschwert, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und das öffentliche Informationsbedürfnis hinsichtlich bedeutsamer gesellschaftlicher und politischer Vorgänge zu befriedigen (vgl. BVerfGE 66, 116 = NJW 1984, 1741 –Springer/Wallraff; BGH, NJW 2015, 782 – Chefjustiziar; BGH, NJW 1979, 647 f.).
Eingeschränkte Verwertung bei besonderem Vertrauensbruch
Die Pressefreiheit schützt insbesondere das Recht, über Art, Inhalt, Ausrichtung und Form des Publikationsorgans zu bestimmen (BVerfG, NJW 2008, 1793, Rz. 42 – Caroline von Monaco III). Jedoch muss sich die Presse stets bewusst sein, dass sie durch Veröffentlichungen von in möglicherweise anfechtbarer Weise beschafften Informationen Gefahr läuft, zu Einbrüchen in die Privatsphäre zu ermuntern, weswegen sie sich aus Verantwortung gegenüber den Betroffenen ein besonderes Maß an Rücksicht auferlegen muss (siehe BGH, NJW 1979, 647 f.; BGH NJW 1987, 2667, 2669 – BND-Interna). Das OLG Köln geht gar generell – ohne weitere Abwägung – von einem Verwertungsverbot aus, wenn es um die ungenehmigte Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen in wörtlicher Rede geht oder wenn sich die Presse rücksichtslos über die schützenswerten Belange des Betroffenen hinwegsetzt (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 537, Rz. 38 f. – Kohls Ghostwriter). Tonbandaufzeichnungen berühren einen besonders sensiblen Bereich, da sie alle Details eines Ausdrucks fixieren, jederzeit reproduzierbar sind und durch Konservierung eine „intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit“ ermöglichen (BGH NJW 1987, 2667 f. m.w.N.). Im Falle von Schulz ging es allerdings nicht um Aufzeichnungen oder vergleichbare Fixierungen des gesprochenen Wortes. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Annahme des OLG Köln, „dass die wortwörtliche Veröffentlichung einer SMS-Nachricht dem Fall einer Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen vergleichbar ist“, da die Äußerung „auch in den Einzelheiten des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben und konserviert“ werde (OLG Köln, NJOZ 2016, 245, Rz. 24). Denn damit übergeht das Gericht die Wertung des Gesetzgebers in § 201 StGB, der hier nur die Fixierung des gesprochenen Wortes (durch Tonaufnahmen und Abhören), nicht aber des geschriebenen Wortes als strafwürdig betrachtet. Im Übrigen ist nicht bekannt, ob Martin Schulz im konkreten Fall die SMS als solche an den Autor weitergeleitet oder deren Inhalt nur wiedergegeben hat. Eine „Verdinglichung“ der Persönlichkeit von Frau Nahles und Herrn Gabriel steht mithin nicht im Raum.
Fraglich ist daher allenfalls, ob dem Autor und dem Spiegel-Verlag vorzuwerfen ist, rücksichtslos die schutzwürdigen Belange der Betroffenen übergangen zu haben. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass Herr Feldenkirchen bzw. der Spiegel-Verlag an einem Vertrauensbruch ihres Interviewpartners beteiligt gewesen wären oder dass ihnen bewusst gewesen wäre, dass Frau Nahles und Herr Gabriel Martin Schulz um besondere Geheimhaltung gebeten hätten (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2015, 537, Rz. 39 ff.; BGH, NJW 1979, 647 f.). Gibt der Gesprächspartner aus eigener Anschauung Kommunikationsdetails preis, so „steht nicht die Verfügung über die Person im Vordergrund, sondern das enttäuschte Vertrauen in die Diskretion des Gesprächspartners, der sich über den Geheimhaltungswillen des sich Äußernden hinwegsetzt. Damit verwirklicht sich für den Betroffenen der Umstand, daß er sich in der Person seines nicht vertrauenswürdigen Gesprächspartners im Grunde der Öffentlichkeit preisgegeben hat, die er irrtümlich für ausgeschlossen ansah.“ (BGH, NJW 1987, 2667 f.). Im selben Zusammenhang hatte der BGH auch auf die grundlegende gesetzgeberische „Wertentscheidung“ aus § 824 BGB rekurriert, dass „gegenüber der Verbreitung wahrer Tatsachen über eine Person, selbst wenn diese sie wegen der Gefahr für ihr berufliches oder geschäftliches Fortkommen vor der Öffentlichkeit geheimhalten möchte, grundsätzlich kein Deliktsschutz besteht, solange es sich nicht um Informationen aus der Intimsphäre handelt.“
Abwägung der wechselseitigen Interessen
Damit hat der BGH zwar nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine Persönlichkeitsverletzung bei wahren Tatsachenbehauptungen im Übrigen – bei Missachtung etwa der Geheimnis- und Privatsphäre – nicht in Betracht komme, allerdings hat er die Messlatte für Unterlassungsklagen bei unspezifischen Vertrauensbrüchen recht hoch gelegt. In der vorliegenden Konstellation kommt es letztlich also darauf an, inwieweit der Einbruch in die Geheimnissphäre persönliche Belange der Betroffenen offenlegt und inwieweit an deren Kenntnisnahme ein öffentliches Interesse besteht. Dementsprechend postulierte der BGH: „Je stärker der private Charakter der Information ist, je mehr persönliche Geheimhaltungsinteressen mit ihr verbunden sind und je größer die Nachteile sind, die der Betroffene durch eine Veröffentlichung für seine Person zu befürchten hat, desto nachhaltiger muß ihr „Öffentlichkeitswert” sein, wenn sich die Presse über seinen Wunsch, sie nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, hinwegsetzen will.“ (BGH, NJW 1979, 647, 649).
Was die SMS von Sigmar Gabriel anbelangt („Es bleibt dabei, du willst mich für deine Zukunft opfern“), so ist festzuhalten, dass diese primär eine Wertung über das Verhalten von Martin Schulz enthält und zugleich die eigene Gefühlswelt offenlegt, nämlich dass sich Gabriel als Opfer der Schulz’schen Karrierepläne betrachtet. Es ist kein intimer, aber doch ein privater Ausschnitt aus Gabriels Gedankenwelt. Der Eingriff durch die Veröffentlichung ist aber umso unerheblicher, als sich diese Offenbarung in das Bild der Kabale einfügt, das er bereits höchstpersönlich in die Öffentlichkeit getragen hatte (https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-seiner-niederlage-sigmar-gabriel-rechnet-mit-der-spd-und-schulz-ab/20944146.html). Wer sich selbst derart weitgehend in der Öffentlichkeit exponiert, begibt sich insofern auch teilweise seiner Schutzbedürftigkeit (vgl. OLG Hamburg, ArchPR 1974, 128 zur Ausbreitung des Sexuallebens). Ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse ist vor diesem Hintergrund geringer einzuschätzen. Da Sigmar Gabriel nunmehr aus der ersten Reihe der Politik ausgeschieden ist, hat er durch Verbreitung dieser verhältnismäßig harmlosen Äußerung keine nennenswerten Nachteile mehr zu erwarten. Demgegenüber dient es nicht nur der reinen Befriedigung von Neugier (vgl. OLG Köln, NJOZ 2016, 245, Rz. 30), sondern die Öffentlichkeit besitzt ein anerkennenswertes Interesse, die Hintergründe der teils öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung in der SPD-Führungsriege zu erfahren und in den richtigen Kontext zu setzen.
Ein wenig anders verhält es sich bei Andrea Nahles‘ Zitat „Entweder du killst ihn, oder er killt dich“. Auch hier handelt es sich im Kern um ein Dafürhalten, das zwar nicht unmittelbar die eigene Gefühlswelt von Frau Nahles preisgibt, aber ihre zwar nicht wörtlich zu nehmende, doch jedenfalls sehr kritische Haltung gegenüber Sigmar Gabriel besonders bildhaft und sinnfällig zum Ausdruck bringt. Anders als bei Herrn Gabriels SMS handelt es sich um eine Einschätzung, die Frau Nahles vorher auch nicht sinngemäß öffentlich kundgetan hat. Nichtsdestotrotz verblüfft sie die interessierte Öffentlichkeit nicht. Es war nämlich auch zuvor kein Geheimnis, dass die Person von Sigmar Gabriel in der SPD-Spitze hoch umstritten war, was sich letztlich in der Entscheidung, ihn nicht erneut für das Amt des Außenministers zu berufen, manifestiert hat. Etwas überspitzt gesagt, hat Andrea Nahles ihre damalige Empfehlung an Martin Schulz selbst beherzigt. Zwar mag das journalistische Interesse an der Veröffentlichung auch darauf beruhen, dass die Aussage „in ungewöhnlicher Offenheit und ohne die im politischen Bereich oftmals übliche sprachliche und inhaltliche Glättung“ (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 537, Rz. 42) getätigt wurde, was für sich genommen das Berichterstattungsinteresse nicht überwiegen lässt. Jedoch ist das Zitat – anders als im vom OLG Köln entschiedenen Fall – nicht ungeeignet, um das politische Zeitgeschehen zu dokumentieren, also die Art und Weise, in welcher der politische Machtkampf in der SPD ausgetragen wurde. Im Übrigen vermag die nun veröffentlichte Wortwahl die Öffentlichkeit wahrscheinlich auch wenig zu überraschen, da Andrea Nahles gerade im öffentlichen Diskurs einen recht pointierten Sprachstil pflegt, wenn nicht gar zu ihrem Markenzeichen erhoben hat („Ab morgen kriegen sie in die Fresse“: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/andrea-nahles-spd-opposition-bundesregierung). Dass dieses Zitat geeignet wäre, das Ansehen von Frau Nahles stark zu beeinträchtigen, darf daher bezweifelt werden, weshalb im Ergebnis auch ihr etwaiges Geheimhaltungsinteresse das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Hintergrundinformation nicht überwiegen dürfte.
Schlussfolgerung
Zivilrechtliche Unterlassungsklagen der Zitierten dürften daher eher wenig Aussicht auf Erfolg haben – ungeachtet dessen, dass solche Klagen auch politisch als wenig opportun angesehen wären. Werden Inhalte politischer Hintergrundgespräche indiskret an die Medien weitergegeben, so verwirklicht sich – in Anlehnung an den BGH (NJW 1987, 2667 f.) – ein möglicherweise nicht mehr justiziables, allgemeines Lebensrisiko. Ein solcher Vertrauensbruch mag im moralischen Sinne zu beanstanden sein, doch bietet das Recht den Betroffenen hiergegen nicht zwingend Schutz. Der effektivste Schutz des Betroffenen dürfte vielmehr regelmäßig aus dem reziproken Geheimhaltungsbedürfnis des Gesprächspartners resultieren. Denn zumindest solange dieser noch selbst im politischen Geschehen mitwirkt, könnten sich solche Veröffentlichungen schließlich gegen ihn selbst wenden. Der Instinkt politischer Akteure bietet somit den wirksamsten Vertrauensschutz vor Indiskretionen.
Dieser Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider.
Die Presse ist frei von staatlicher Einflussnahme
von Nima Mafi-Gudarzi
"In der repräsentativen Demokratie steht die Presse [...] als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung." Diese "öffentliche Aufgabe" schrieb das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Spiegel-Urteil im Jahr 1966 der Presse zu (BVerfGE 20, 162 [174]). Die AfD schien mit Ihrem am 22.2.2018 eingebrachten Antrag dieses Verhältnis umkehren zu wollen. Die AfD-Fraktion kritisierte darin zum einen eine angebliche "Vorzugsbehandlung" des in der Türkei inhaftierten und kürzlich freigelassenen deutschen Journalisten Deniz Yücel durch die Bundesregierung. Zum anderen forderte sie den Bundestag auf, Äußerungen, die dieser 2011 bzw. 2012 in zwei satirischen Kolumnen in der taz getätigt hatte, "die Missbilligung [...] auszusprechen."
In beiden Kolumnen bediente sich Deniz Yücel einer sehr scharfen, provozierenden Sprache. Hinsichtlich einer Passage über Thilo Sarrazin untersagte das Landgericht Berlin der taz gar mit Urteil vom 15.8.2013 deren Veröffentlichung und Verbreitung und verurteilte sie zudem zur Zahlung von EUR 20.000 an den Kläger (27 O 183/13). Die zweite Kolumne, die sich polemisierend mit dem Geburtenschwund in Deutschland auseinadersetzte, war, soweit ersichtlich, kein Gegenstand einer Aufarbeitung durch Justiz-Behörden.
Ob diese Äußerungen etwa, wie die AfD-Fraktion mutmaßt, die Straftatbestände der §§ 90a und 130 StGB erfüllt haben könnten, kann hier offenbleiben. Denn es ist keinesfalls Aufgabe der Volksvertreter, im einem formalen Beschluss die Arbeit der freien Presse und unabhängiger Journalisten zu bewerten und darüber ein Unwerturteil zu fällen. Die Neutralitätspflicht staatlicher Amtsträger im öffentlichen Diskurs und Meinungskampf war bereits häufig Gegenstand von Debatten sowie in der Rechtsprechung (vgl. u.a. Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519; Gersdorf, AfP 2016, 293). Es wäre allerdings ein ungeheuerliches Novum, hätte sich die Legislative dazu verstiegen, Inhalte staatsferner Medien öffentlich zu kritisieren. Im Gewaltenteilungssystem der Bundesrepublik (Art. 20 Abs. 3 GG) kommt dem Parlament eine Kontrollfunktion vielmehr mit Blick auf die Regierung zu. Die rechtliche Bewertung und Aufarbeitung von etwaigen Rechtsverletzungen bleibt zwingend der Judikative gemäß Art. 92 GG am Maßstab verfassungsmäßiger Gesetze vorbehalten - so wie auch im Fall des LG Berlin geschehen.
Doch nicht nur die seitens der AfD unterstellte Zuständigkeit des Bundestages zu einer solchen Maßnhame ist höchst fragwürdig. Eine vom wichtigsten Willensbildungsorgan im Staatswesen ausgesprochene Missbilligung journalistischer Tätigkeit wäre wahrscheinlich auch ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit, welche Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet. Die Pressefreiheit schützt die Grundrechtsträger vor staatlichen Einflussnahmen, insbesondere vor Sanktionen, die an Inhalt und Gestaltung eines Presseerzeugnisses anknüpfen (BVerfGE 113, 63 [75]). Wenn danach schon die bloße Erwähnung eines Presseerzeugnisses in einem Verfassungsschutzbericht einen mittelbaren Eingriff darstellen kann, da potenzielle Leser, Inserenten und Journalisten hierdurch abgeschreckt werden könnten (BVerfGE, a.a.O., 77), so ist eine solche nachteilige Beeinflussung erst recht anzunehmen, wenn das Parlament einen Journalisten wegen Ausübung seines Berufs öffentlich und förmlich geißelt.
Eine Ermächtigung zu einem solchen Handeln besitzt der Bundestag nicht und könnte er sich auch kaum im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 GG schaffen. Von 630 Abgeordneten lehnten 552 den von der AfD beantragten Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit schließlich ab.
Dieser Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider.
Zerreißprobe der deutschen Verwertungsgesellschaften
vom 18. Dezember 2014
Seit geraumer Zeit schwelt es in der historisch gewachsenen Zusammenarbeit zwischen Urhebern, Verlagen und ihren Treuhändern, den Verwertungsgesellschaften. Die für eine angemessene Vergütung notwendige Symbiose droht zu bröckeln. Hintergrund ist eine wahrnehmungsrechtliche Besonderheit im System der Verwertungsgesellschaften: Weil in ihnen sowohl Urheber wie Verlage mit jeweils unterschiedlichen Interessen vereint sind, bezeichnet man Verwertungsgesellschaften auch als „nicht gegnerfrei“. Sie sehen sich der komplexen Aufgabe gegenüber, konfligierende Belange ihrer vielzähligen Wahrnehmungsberechtigten nicht nur intern, sondern auch im Außenverhältnis existenzsichernd für die Urheber (§ 11 S. 2 UrhG) im Gleichgewicht zu halten. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß!?
vom 20. Mai 2014
Sie sind da, die ersten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zum neuen Rundfunkbeitrag. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VerfGH RLP, Urt. v. 13.05.2014, Az. VGH B 35/12 ) und der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH, Urt. v. 15.05.2014, Az. Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12 ) befanden das neue System der Rundfunkfinanzierung für verfassungsgemäß. Landesverfassungsgemäß, so muss man präzisieren, denn: Rundfunkrecht ist Ländersache. Da sich Funkwellen jedoch nicht an Ländergrenzen halten, eine bundeseinheitliche Regelung also notwendig ist, greifen die Länder hier zum Instrument des intraföderalen Staatsvertrages, der nach Abschluss in Landesrecht transformiert wird. Klicken Sie hier, um den gesamten Artikel aufzurufen.
Ein Freund, ein guter Freund!? – Ohne Politiker sieht man besser
vom 25. März 2014
Nun haben wir also an der Zahl 14 Rundfunkentscheidungen. Wolfgang Janisch hat in seinem Artikel „Das Ewigkeitsproblem ” in der SZ vom 24. März 2014 ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Bundesverfassungsgericht beschrieben. Ein guter Freund hilft zuweilen auch einmal aus ungünstigen Situationen heraus. Hat das Bundesverfassungsgericht also mit seiner Entscheidung zum ZDF-Staatsvertrag dem ZDF – und aufgrund der Übertragbarkeit der grundsätzlichen Ausführungen auch den anderen Rundfunkanstalten – die Ketten der politischen Einflussnahme zerschlagen? Im November 2009 schlug die „Causa Brender“ hohe Wellen. Nach deutlichen Positionierungen verschiedener in den Aufsichtsgremien präsenter Politiker wurde der Vertrag des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängert. Lesen Sie hier weiter.